Freitag, 28. September 2012

Geh mir doch weg I: Auf und davon

Peter Wunderlich packte langsam seinen Rucksack. Sehr langsam. Er konnte nicht mehr. Was wollte er hier noch? Aus der Dachrinne tropfte es, in der Küche fehlte seit Jahren eine Spüle und im Badezimmer der Putz an den Wänden. Genauso wie im Flur die entscheidende Sicherung. Durchgebrannt. Sagte man das nicht so? Dabei wusste er, dass Sicherungen gar nicht mehr durchbrannten. Heutzutage doch nicht mehr. Die flogen raus. Der Automat schaltete sich ab. Irgendwas in der Art. Tat aber nichts zur Sache. Sobald er das Licht im Flur einschalten wollte, gab der Sicherungskasten auf.
(Foto (c): Thomas Ottensmann)

Kein Strom 
mehr. Auf der ganzen Etage. War nicht lustig. Gut, Kerzenlicht hatte ja etwas Heimeliges. Romantisches. So warm. Hieß es immer. Für ihn war es lediglich ein Zeichen des Verfalls. Des Zurückgeworfenseins auf sich selbst. Das hatte er mal irgendwo gelesen. Jaha, lesen konnte er. Aber hatte er das auch verstanden? Er war sich nicht sicher. 
Genau genommen war es ja nur das Zurückgeworfensein in ein Leben ohne Technik. Kein Computer. Keine Musik. Kein Handy. Ohne Strom kam alles, was landläufig als soziales Leben bezeichnet wurde, zum Erliegen. In Nullkommanix. Doch was kam danach? Wenn es hinter dem Horizont wirklich weitergeht, womit eigentlich? 
Peter Wunderlich wusste 
es nicht. Schlimmer noch: Es interessierte ihn nicht mal. 
Er packte seine Zahnbürste ein, den letzten Rest Trockenfutter für Ische und ihren Lieblings-Kauknochen. Seinen Personalausweis und die Kreditkarte ließ er auf dem Fenstersims liegen. Sie waren säuberlich in vier Teile zerschnitten. Leise zog er die Tür hinter sich zu und warf den Schlüssel durch den Briefschlitz in den Hausflur zurück. Links oder rechts rum? Er ließ Ische entscheiden. Hatte die deutlich bessere Nase. Sie zog nach links. Peter Wunderlich war es egal. Er ging folgsam mit.

(Thomas Ottensmann für: Die Wahrheit. 
(c) OmO Enterprises 2012)

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